Zum Hauptinhalt springen

Die Highspeed-Fotografie ändert sich

Seit Stephen Daltons bahnbrechenden Fotos fliegender Insekten sind ungefähr 50 Jahre vergangen. In dieser Zeit hat sich die Technik stetig verbessert, aber die grundsätzlichen Zutaten blieben gleich: Eine Lichtschranke, ein externer Verschluß und ein Highspeed-Blitz. Nur damit konnten die extrem schnellen und unkalkulierbaren Flugobjekte erfaßt und scharf abgebildet werden. Von Nachteil war der Aufwand, der damit zusammenhing. Die Lichtschranke mußte aufgebaut, die Kamera sorgfältig justiert und der Blitz ausgerichtet werden. Bei vielen Motiven war der Aufbau einer Lichtschranke nicht oder ur schwierig möglich, z.B. über Wasser. Außerdem beschränkte sich diese Technik auf Einzelbilder, eine ganze Abfolge in Form von Serienfotos war nicht möglich. 
Erst mit der rasanten Entwicklung der Fototechnik in den letzten zehn Jahren änderte sich das. Während digitale Spiegelreflexkameras auf 5-10B/s kamen, schaffen die neuesten spiegellosen Kameras 40B/s oder mehr. Möglich wurde das durch neue »stacked« Sensoren, die sich extrem schnell auslesen lassen. Weil sie auch keinen mechanischen Verschluß mehr benötigen, erreichen die Belichtungszeiten Regionen, die vorher Sache des  Blitzes waren, also 1/32000s oder noch kürzer. Mit einem geeigneten Objektiv, das den Autofokus auch bei hohen Geschwindigkeiten unterstützt, sollten damit Fotos von schnellen Objekten möglich sein. Ohne daß zu Hilfsmitteln wie einer Lichtschranke gegriffen werden muß. 

Die Auswahl an solchen schnellen Kameras beschränkt sich auf die Spitzenmodelle der bekannten Marken, die in der Region von ca. 6000€ lagen. Der Hauptanteil entfällt dabei auf den Vollformat-Sensor. Aus fotografischen Gründen ist Vollformat aber längst nicht mehr zwingend notwendig, die nur halb so großen Sensoren im APS-C-Format sind nahezu gleichwertig. Ihre Vorteile liegen in der geringeren Größe, was in geringeren Massen bei den bewegten Teilen resultiert. Davon profitieren die Bildstabilisierung (IBIS) und der AF. Leider konzentrieren sich die großen Hersteller auf das Vollformat, so daß APS-Kameras eher das fünfte Rad am Wagen darstellen. Eine Ausnahme bildet die Firma Fujifilm, die keine Vollformat-Kameras herstellt. Sie hat sich auf APS-C (plus das hier uninteressante Großformat) spezialisiert, so daß man bei Fuji sicher sein kann, immer im Fokus des Herstellers zu stehen.

Die derzeit schnellste Fuji-Kamera ist die 2022 erschienene X-H2s. Dank ihres kleineren APS-C Sensors ist sie real für ca. ein Drittel des Preises ihrer Vollformat-Schwestern zu bekommen, derzeit für ca. 2000€. Verzichten muß man dabei auf nichts, ganz im Gegenteil. Mit ihrem stacked Sensor erreicht sie 40 RAW-B/s bei kontinuierlicher AF-Nachführung, wobei ihr interner Speicher 170 Aufnahmen faßt. Es wird also erst nach vier Sekunden auf die langsamere Speicherkarte geschrieben. Langsam ist hier relativ zu sehen, denn die Kamera akzeptiert neben den ohnehin schon schnellen UHS-II SD-Karten auch die noch wesentlich schnelleren CF-Express-Karten. Eines der besten Features der Kamera ist der sog. Pre-Capture-Modus, bei dem mit halb-gedrücktem Auslöser die Fotos kontinuierlich in den internen FIFO-Speicher (first-in, first-out) geschrieben werden. Erst wenn der Auslöser ganz durchgedrückt wird, werden die Fotos der letzten Sekunde zusammen mit den neuen auf die Karte geschrieben. Und das bei Bedarf auch im RAW-Format. Damit verpaßt man kritische Momente nicht mehr, z.B. einen abfliegenden Vogel.

Das Ganze macht natürlich nur Sinn, wenn auch das Objektiv zur Kamera paßt. Quasi parallel zur Kamera kam deshalb das neue Tele-Zoom XF 150-600mm f/5,6-8 R LM OIS WR in den Handel, das mit Innenzoom, Innenfokussierung und starken Linear-Servomotoren nichts ausläßt, was gut und schnell ist. Dabei ist es mit 1600g um 515g leichter als das vergleichbare Sony FE 200–600mm. Zusammen mit der X-H2s bildet es eine Kombination, die eine ganz »neue« Art der Highspeed-Fotografie erlaubt. Bei f600mm wird ein ABM von 0,24 erreicht, sozusagen Makro aus 2,4m Entfernung. Mit 40B/s, pre-capture und AF-C gelingen dabei sogar Fotos wie der nebenstehende Angriff einer Wollbiene ♂ auf eine Holzbiene. Mit der klassischen Lichtschranken-Methode wäre es viel schwieriger gewesen, wenn überhaupt möglich. Wenn es nicht gerade auf einen ABM von 1 ankommt, ersetzt das Tele-Zoom ein Makroobjektiv.

50 Jahre Highspeed-Fotografie
Mit pre-capture lassen sich immer wieder Situationen wie diese beiden Frösche mit voll sichtbaren Schallblasen einfangen. Ohne dieses Feature wäre der Erfolgsfall wesentlich weniger wahrscheinlich.

Man profitiert dabei von der ausgewogenen Farbdarstellungen der Fuji X-Trans-Sensoren. Der Sucher der X-H2s besitzt ein 5,76 MP OLED-Display. Er ist auch für Brillenträger voll zu überschauen, was nicht selbstverständlich ist. 

Nach oben