Westsachsen - Todeszone für Insekten
Ok, ganz so schlimm ist es noch nicht. Hin und wieder trifft man auf einen Flieger, obwohl es immer weniger werden. Bei solchen Betrachtungen ist ein Blick zurück in die fünfziger und sechziger Jahre hilfreich. Damals war die Stadt ein Zentrum des Steinkohlenbergbaus, der Maschinen- und Kraftfahrzeugindustrie (der Trabi wurde hier gebaut) und anderer nicht sehr »sauberer« Industriezweige.Der Fluß Mulde war schon im Oberlauf die Kloake für Industriebetriebe aller Art, der bis Zwickau noch grauer und giftiger wurde, bevor er bei Dessau in die Elbe mündete.
Dank der Kokereien, der Kohleheizungen und der vielen Zweitakter gab es vermutlich keinen Schadstoff, der in der Luft fehlte. Zu den Gasen kam der Kohlestaub, der tagsüber im Winter den Neuschnee schwarz einfärbte und mit dem nächtlichen Weißschnee zum typischen Zwickauer »Schichtschnee«
führte.
Trotzdem gab es im Umland kleine Teiche, in denen wir als Kinder tauchten und eine erstaunlich vielfältige Pflanzen und Tierwelt bis hin zu Süßwassermuscheln vorfanden. Zu den damals noch häufig vorhandenen Bauerngütern gehörten Tümpel und Ententeiche, aus denen ich Wasserflöhe für mein Aquarium holte. Manchmal blieb auch ein Wasserkäfer bis hin zu den großen Gelbrandkäfern im Netz. In solchen winzigen Gewässern hielten sich Teichmolche, kleine Fische und Libellenlarven, die als fertige Insekten an den Teichen zu finden waren. In sauberen Fließgewässern fand sich sogar der Flußkrebs. Da er genau wie die Süßwassermuschel ein Indikator für die Wasserqualität ist, war es um diese nicht überall so schlimm bestellt wie in der Mulde.
Auf dem Weg zur Schule gingen wir quer über eine große Wiese, die im Frühling und Sommer bunt blühte. Dort wimmelte es nur so von Bläulingen und anderen Schmetterlingen, und in Pfützen fanden sich Kaulquappen. Im nahen Stadtwald, schon damals das beliebteste Naherholungsgebiet, gab es zahlreiche Ameisenhaufen und auf den Blüten tummelten sich Widderchen und viele andere Insekten. Es gab Fotomotive in Hülle und Fülle.
DAS ALLES IST VERSCHWUNDEN.
Die Teiche und Tümpel wurden zugeschüttet, um Platz für Häuser und Garagen zu machen. Von den Bauerngütern hat kaum eines überlebt und damit auch die Tümpel mit Teichmolchen und Libellen nicht. Im Stadtwald gibt es keinen einzigen Ameisenhaufen mehr, von Widderchen ganz zu schweigen. Dafür aber mehr Borkenkäfer.