Nepal 2018

Hängebrücke in Nepal Himmelsbrücke

Der Plan war einfach: Den Manaslu, mit 8162m achthöchster Berg der Erde, zu umrunden. Die Alpen kannte ich gut, aber im Himalaya war ich noch nie. Also schloß ich mich einer Gruppe von Nepal-Kennern an, die z.T. schon dreimal dort gewesen waren und nun ihre vierte Tour in Angriff nahmen. Ein bißchen Fitneßstudio vorher konnte nicht schaden, dazu paar Reiseführer und das Internet. Dort gab es solche Artikel:

The 177-km trek around Manaslu provides strong walkers the best that Nepal has to offer.

Oder auf gut deutsch: Die 177km lange Route um den Manaslu bietet starken Wanderern das beste, was Nepal zu bieten hat. Aber halt ‒ starke Wanderer steht da. Auch in Reiseführern wird die Manaslu-Tour als »anspruchsvoll« oder gar »schwer« beschrieben.
Woanders stand aber auch:

This trek is geographically spectacular and culturally fascinating."

Geografisch spektakulär und kulturell faszinierend. Also los, wird schon nicht so schlimm werden.

Manaslu-Trek
Weltflughafen Berlin-Tegel: Martina, Holger, Renate und der Autor

Ankunft

Gegen Ende des langen Fluges von Berlin über Istanbul nach Kathmandu kam endlich der Himalaya in Sicht. Die Berge waren zwar weit entfernt, aber gut zu erkennen. Der Flieger bog noch einmal nach Süden ab und zog eine weite Schleife, bevor er sich der Hauptstadt näherte. Die umgebenden »Hügel« kamen relativ nahe, als er zur Landung ansetzte. Zwei Stunden später wurden wir von Ines begrüßt, die uns in das Hotel begleitete. Wenig später kam auch Bijay dazu, Inhaber der Reiseagentur, Ehepartner von Ines, Guide und Chef für alles in den nächsten drei Wochen. Während wir noch im Flugzeug saßen, hatte er bereits eine Stadtführung mit Stefan unternommen, dem fünften Teilnehmer. Später stieß noch Simone zur Gruppe, deren Flug sich etwas verspätet hatte.

Von Holger genau erläutert

Bijay Nepal v.l. Charan, der Autor, Simone, Holger und Martina, Bijay, Udai, Stefan, Renate, Mane,
unten Bigram, Gyanu und Uruesh

1. Tag - Busfahrt nach Sotikhola (730m)

Vor dem Trekking lag zuerst einmal eine längere Busfahrt. Eigentlich sollte sie schon in Arughat enden, dem eigentlichen Startpunkt der Tour. Da wir uns aber auf dieser ersten Etappe nur zwischen Autos auf einer im Bau befindlichen Straße bewegt hätten, hatte Bijay kurzfristig umdisponiert und so fuhren wir weiter bis Sotikhola, wo die befahrbare Straße endete.
Allein diese Anreise auf schlaglochübersäten und staubigen Holperpisten war schon ein Abenteuer der besonderen Art, das dem Fahrer und dem Bus alles abverlangte. Aber ein Tata kommt überall durch, wo vier Räder Platz finden. So erreichten wir Sotikhola am späten Nachmittag, rechtzeitig genug für eine kurze Erkundung der Umgegend vor dem Einbruch der Dunkelheit. 

Eine Busfahrt die ist lustig...

2. Tag - Machhakhola (930m)

Wie heißt es so schön: »Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt«. Der Bus war schon längst wieder in Kathmandu, als wir uns am frühen Morgen bei angenehmen Temperaturen  auf den Weg machten. Was einmal eine Straße werden wollte, war größtenteils noch nicht mehr als ein steiniger Pfad, auf dem der Staub aufgewirbelt wurde. Der Weg verlief im Tal des Budhi Gandaki, eines wilden Gebirgsflusses, der nordöstlich des Manaslu entspringt. Je nachdem, wo der Weg gerade verlief, mußte der Fluß ständig auf Hängebrücken überquert werden. Am Nachmittag dann Ankunft in Machhakhola, einem quirligen Dorf mit regem Muliverkehr.

3. Tag - Jagat (1370m)

Auf dieser Etappe erwarteten uns einige halsbrecherische Pfade entlang des Berghanges, die in Deutschland nur in Begleitung eines Kriseninterventionsteams begangen werden dürften. Immer wieder begegneten wir schwerbeladenen Mulikarawanen, die sich dort mit traumwandlerischer Sicherheit bewegten.
Der Weg führte weiter durch subtropische Vegetation über endlose Treppenwege ins nächst höher gelegene Dorf. Nach dem Mittagessen eine Zwangspause - die Armee sprengte. Nach einer Stunde ein dumpfer Knall irgendwo zwischen den Berghängen, und endlich konnte es weitergehen. Wenig später verengte sich das Flußtal zu einer tiefen Schlucht, die über eine am Felsen befestigte Galeriekonstruktion überwunden werden mußte. Wegen der Verspätung kamen wir in den Sonnenuntergang und es wurde empfindlich kühl. Schlecht, wenn man sich nicht sofort etwas Warmes überzog. Wie in diesen Breitengraden üblich, war die Dämmerung nur sehr kurz und bald war der Weg kaum noch zu erkennen. Erster Einsatz der Stirnlampen. Als wir endlich im Jagat Guest House ankamen, war es stockfinster.

4. Tag - Deng (1540m)

Früh am Morgen Aufbruch in Jagat. Die Kälte vom vergangenen Abend hatte nicht nur bei mir zu einem unangenehmen Husten geführt, der mit viel heißem Tee bekämpft wurde.
Weiter ging es durch das Gebiet der Gurkhas, den berühmten und gefürchteten Soldaten der britischen und indischen Armee. Allmählich öffnete sich die Landschaft und am Horizont erschienen die ersten schneebedeckten Berge. Auf und ab über Hängebrücken und durch den einen oder anderen Chörten ging es weiter. Aber der Weg ist angenehmer geworden, die staubige Neubaustrecke ist noch nicht bis hierher vorgedrungen. 

5. Tag - Namrung (2650m)

Den Budhi Gandaki kann man nicht verfehlen. Manchmal lag der Fluß hundert Meter unter uns, aber die nächste Hängebrücke war nicht weit. Dann ging es wieder ganz hinunter und auf der anderen Seite hinauf. Und immer noch ein Stückchen höher. Man merkte deutlich, daß Nepal übereinander gebaut ist. Irgendwann führte der Weg wieder durch wunderschöne Wälder mit flechtenbehangenen Bäumen und durch den einen oder anderen Chörten. Allmählich näherten wir uns dem Manaslugebiet, wo der tibetische Einfluß zunimmt. Am Nachmittag dann Erholung in der Lodge. Vier Tage pausenlos auf und ab ‒ das steckte in den Beinen. Dazu kam der ständige Wechsel zwischen warmem Sonnenschein und kühlem Schatten, nicht gut für den angegriffenen Hals.

Mandala - ein magisches Symbol im Buddhismus

6. Tag - Lho (3180m)

Der Weg zum nächsten Etappenziel war etwas kürzer, und er führte bei bestem Wetter durch eine wunderschöne Gebirgslandschaft. Während in den kleinen Dörfern die Frauen auf dem Feld arbeiten, freuten sich die Kinder über einen Luftballon oder ein Plüschtier. Und man wundert sich, daß hier in 3000m Höhe noch Landwirtschaft betrieben wird. In Lhi, einem dieser kleinen Dörfchen, machten wir Rast bei einer buddhistischen Kapelle und besichtigten die farbenprächtige Ausstattung.
Danach ging der Weg leicht bergan weiter und ganz plötzlich ‒ am fünften Tag unserer Wanderschaft ‒ war es soweit: Die zwei Hörner des Manaslu tauchten links über einem Berghang auf. Mit jedem Schritt wurde er größer, bis er schneeweiß über dem Kloster Ribum thronte, das hinter Lho auf einer Anhöhe lag. Ein Anblick, den man nie vergißt.
Nach dem Bezug der Lodge, die sich hier auf mehrere kleine Hütten verteilte, folgte noch ein Spaziergang in die nähere Umgebung. Leider zogen am Abend Wolken auf, hinter denen der Manaslu kaum noch zu sehen war.

7. Tag - Kloster Ribum bei Lho

Der siebte Tag war Ruhetag. Ruhe insofern, als daß es nur bis zum Kloster ging, das auf einem Hügel 150m über Lho lag. Nach seiner teilweisen Zerstörung durch das Erdbeben 2015 mußten die 70 Mönche nach Kathmandu umziehen. Inzwischen ist das Kloster wiederhergestellt und die Bewohner sind zurück. 
Nach einer halben Stunde hatten wir es geschafft ‒ der Sportplatz war erreicht, wo sich ein paar Klosterschüler gerade ein zünftiges Fußballspiel lieferten. Für unsere einheimischen Träger ein guter Grund zum Mitspielen. Ganz oben auf dem Hügel stand eine Bank, einen besseren Platz konnte man sich kaum vorstellen. Der Manaslu von seiner schönsten Seite nur 12km entfernt. Noch näher liegt allerdings China, die Grenze zu Tibet verläuft gerade 6km entfernt.
Leider war der Manaslu an diesem Tag kaum zu sehen, aber für ein Gruppenfoto war der Aussichtsplatz gut genug. Danach ging es wieder hinunter ins Kloster, wo gerade Mittagszeit war. Nachdem die Mönche gegessen hatten, gab es auch etwas für die Touristen. Danach Besichtigung des Klosters und Abstieg nach Lho. Diesmal aber durch den Vordereingang und den Sepentinenweg hinunter ins Dorf.

 

8. Tag - Samagaun (3530m)

Der Tag begann mit ganz frühem Aufstehen ‒ Sonnenaufgang am Manaslu. Um das Ereignis nicht zu verpassen, mußte man kurz nach sechs bereit sein. Was aber einiges an Überwindung kostete, sich freiwillig ins Freie zu begeben. Denn nach einem Kälteeinbruch war es inzwischen ausgesprochen kühl, um nicht zu sagen, sehr kalt geworden. Besonders so früh am Morgen in über 3000m Höhe. Aber der Himmel war ohne Wolken und bald glühte der Gipfel rot auf. Schon der weiße Manaslu ist mit seinen beiden Hörnern ein beeindruckender Berg, aber in Rot übertrifft er alles. Nach ein paar Minuten war das Ereignis vorüber und das Frühstück wartete. Außerdem war der 11.11. angesagt, Grund genug für den Guide, eine würdige Kopfbedeckung zu tragen.
Das heutige Ziel war Samagaun, ein Ort am Fuße des Manaslu. Der Weg führte zuerst am Kloster vorbei, wo die letzten Hefte und Kugelschreiber an die Klosterschüler verteilt wurden. Danach ging es bei strahlendem Sonnenschein weiter leicht bergauf durch kleine Dörfer wie Shyala, das für den Tourismus zurechtgemacht wurde. Überall neue Lodges und Hotels im Bau, was bei dieser Traumlage direkt unter dem Manaslu natürlich kein Wunder ist. Manchmal kamen uns einheimische Frauen entgegen, die schwerste Lasten auf dem Rücken transportierten. Eine gelebte Gleichstellung, die unseren westlichen Frauenrechtlerinnen völlig fernliegen dürfte.
Hinter Shyala wurde der Fluß auf einer sehr langen Hängebrücke überquert und das Hochtal öffnete sich zu einer riesigen flachen Fläche, sehr ungewöhnlich für diese Bergregion. Eine große Chörten stand einsam auf der Fläche, umgeben von einem prachtvollen Bergpanorama.
Der Ort selbst war vom Erdbeben 2015 stark zerstört worden, aber das meiste wurde inzwischen wieder aufgebaut. Hier in Samagaun soll die Straße enden, aber vermutlich wird sie irgendwann bis China weitergeführt. 

9. Tag - Manaslu-Basecamp (4500m)

In Samagaun verbrachten wir den zweiten Ruhetag. Um uns besser an die vor uns liegenden Höhen zu gewöhnen, war ein Aufstieg zum Manaslu-Basislager in 4500m Höhe geplant. Früh am Morgen gingen wir los in Richtung des Birendra-Gletschersees, der etwas nördlich von Samagaun auf etwa 3600m Höhe liegt. Nach der Überquerung einer Seitenmoräne lag er vor uns, smaragdgrün und umgeben von einem unglaublichen Bergpanorama. Auf der Gegenseite der Ausläufer des Manaslu-Gletschers und darüber der Manaslu selbst. Von hier liegt er gerade noch 8km entfernt, näher kommt man ihm nirgends.
Am Ufer des Sees stand eine Herde Yaks, die selbst auf diesem Felsgeröll noch etwas zu fressen zu finden schienen. Auf der anderen Seite des Gletschersees begann der Aufstieg, zuerst durch ein Wäldchen und später im offenen Gelände mit karger Hochgebirgsvegetation. Für die Höhenlage war es angenehm warm mit wenig Wind, besser hätte das Wetter nicht sein können. Je höher man kam, desto besser wurde auch der Blick auf den zerklüfteten Gletscher. Gegen Mittag war der Gletschersee nur noch eine kleine Pfütze und Samagaun dahinter kaum noch zu erkennen. Irgendwo hier auf 4500m hätte das Basislager sein können, wenn es denn eines gegeben hätte.
Wir waren zwar hoch, aber ich fühlte mich trotzdem nicht ganz auf der Höhe. Also stieg ich zusammen mit einem der Träger wieder ab, während die anderen noch etwas weitergehen wollten. Nach drei Stunden waren wir wieder im Hotel, wo ich mir eine Cola genehmigte. Dann kam das Nasenbluten. Als der Rest der Gruppe zwei Stunden später zurück war, blutete die Nase immer noch. Bijay meinte, daß das nach einem Abstieg aus großen Höhen nicht ungewöhnlich wäre. Irgendwann ließ es nach und zum Abendessen war wieder alles in Ordnung. Großen Hunger hatte ich trotzdem nicht.

Immer den Manaslu im Blick...

10. u. 11. Tag - Samdo (3760m),

Das nächste Ziel hieß Samdo. Der Weg war nicht allzu weit und führte das flache Hochtal hinauf in das letzte bewohnte Dorf vor dem Paß. Der kargen braunen Vegetation ringsum merkte man die Höhenlage und die Jahreszeit an. In Samdo wohnen hauptsächlich Tibeter, die nach der chinesischen Okkupation Tibets hierher übergesiedelt sind. Den Sommer über leben sie von Landwirtschaft und Viehzucht und ziehen im Herbst mitsamt ihrer Herden über den Larke-Paß in niedrigere und wärmere Gefilde, wo sie den Winter verbringen. Wahrscheinlich waren schon viele Bewohner gegangen, weshalb der Ort einen etwas verlassenen Eindruck auf mich machte.
Am Nachmittag unternahmen wir einen ersten Ausflug durch das Dorf und einen Weg den Berg hinauf bis zu einer Mauer. Angesichts der Lebensverhältnisse der Bewohner und ihres täglichen Kampfes gegen die Herausforderungen der Umwelt in dieser Höhe erscheinen unsere eigenen nur als künstliche First-World-Problemchen. Und zu den hausgemachten Problemen der Einheimischen kommen noch die importierten dazu. Das Hotel lag am Rande eines tiefen Hanges, der als Müllkippe diente. Natürlich kein schöner Anblick, aber wohin sonst mit dem Plastikmüll, den hauptsächlich die Touristen hier anschleppen?
Auf dem Weg hinunter zum Hotel kam das Nasenbluten zurück. Diesmal wirklich heftig. Bijay war beunruhigt, denn so etwas sollte auf dem Weg zum Paß in 5000m Höhe nicht passieren. Vielleicht lag es an der Höhe oder der Anstrengung, oder dem permanenten Husten und einer ständig verstopften Nase, oder an allem zusammen. Und die Lösung war: ein Pferd. Damit sollte ich bis zum Paß reiten. Und Bijay wäre nicht das Organisationswunder gewesen, das er war, wenn er nicht ein Pferd mitten im Himalaya in 3800m Höhe aufgetrieben hätte. Mein letztes Mal auf einem Pferd lag etwa 40 Jahre zurück, aber warum nicht. Durch den Himalaya laufen konnte schließlich jeder, reiten nicht. Und wem sonst als mir als Ältestem der Gruppe hätte ein Pferd zugestanden. Auch ohne Nasenbluten
Den nächsten Tag, der als letzter Ruhetag vor dem Paß gedacht war, verbrachte ich wirklich in Ruhe. Während die anderen noch einen Ausflug den Berg hinauf machten, setzte ich mich in die Sonne, las eine Zeitschrift und besichtigte den »Stadtkern« von Samdo. Am Nachmittag zogen Wolken auf, ein kalter Wind wehte und Schnee fiel. Aber alles in allem gute Voraussetzungen für die Paßüberquerung.

12. Tag - Durch das Hochgebirge nach Dharmasala (4460m)

Am nächsten Morgen warteten schon das Pferd und sein Führer. Es war eher ein Pony und stand neben einem großen Felsblock, so daß das Aufsteigen keine Probleme machte. Nach einer kurzen Einweisung, die sich vor allem um das Festhalten drehte, ging es auch schon los. Ach so, halt, die Füße mußten noch in die Steigbügel, dann konnte es wirklich losgehen. Der erste Kilometer verlief recht entspannt auf einem ziemlich guten Weg, dann ging es durch einen Bach. Nebenan verlief zwar eine Brücke, aber das Pferd hatte seine eigenen Vorstellungen. Über Felsbrocken springend und dann wieder durch's Wasser, kamen wir drüben an. Ging es bergauf, mußte man sich vorn am Sattel festhalten, bergab hinten. Da es ständig bergauf und bergab ging, war es am besten, sich gleichzeitig vorn und hinten festzuhalten. Ans Fotografieren auch nur zu denken, war unter diesen Umständen völlig überflüssig. Dafür konnte man sich einmal unbeschwert dem grandiosen Bergpanorama entlang des Larke-Gletschers widmen, ohne ständig auf seine eigenen Füße sehen zu müssen.
Wenn man sich erst einmal an die spezifischen Eigenheiten des Pferdchens gewöhnt hatte, war es doch eine sehr komfortable und unanstrengende Methode der Fortbewegung. Ob das Pferd das genauso gesehen hat, darf aber bezweifelt werden. Das kam nach der Ankunft in Dharmasala in seinen Stall und durfte sich ausruhen. Immerhin war es zwei Stunden schneller gewesen als die Fußgänger.
Dharmasala war eigentlich nur eine Ansammlung einfachster Hütten zur Übernachtung vor der Paßüberquerung. Trotzdem war die Vielfalt der Speisekarte erstaunlich, wenn man bedenkt, daß man sich hier auf der Höhe des Matterhorns befindet. Die Übernachtung im Mehrbettzimmer war wenig komfortabel und eher unruhig, unterbrochen von mehreren Toilettengängen in der kalten Nacht. Aber allein schon der Sternenhimmel, völlig ungestört von Wolken, atmosphärischen Einflüssen oder Fremdlicht, war überwältigend.

13. Tag - Über den Larke Paß (5106m) nach Bhimthang (3720m)

Dieser Tag war zweifellos Ziel und Höhepunkt der ganzen Reise, und das im wahrsten Sinne des Wortes: 5106m. Und es ist nicht nur die größte Höhe, sondern auch der tiefste und steilste Abstieg um 1400m auf der anderen Seite.
Schon sehr früh machte sich die Gruppe auf den Weg. Ich wartete noch ein Weilchen, bis das Pferd soweit war. Dann ging es los, Bijay vornweg und Mané, der Chefträger, dahinter. In völliger Finsternis ging es den leicht vereisten Berg hinauf, zur Linken ein schwarzer Abgrund, an dessen tiefster Stelle ein Fluß rauschte. Wenn das Pferd hier ins Rutschen kommt, dann finden wir uns paar hundert Meter weiter unten im Wasser wieder. Manchmal ging es erschreckend nahe am Abgrund entlang, doch irgendwann war es an der Zeit, dem Pferdchen zu vertrauen. Nicht umsonst war es ein Himalayapferd und wußte genau, was zu tun war.
Allmählich wurde es auch heller und nach einer Stunden hatten wir die Gruppe eingeholt. Für die nächste Stunde übernahm Mané die Rolle des Führers, bis irgendwann ein Einheimischer auftauchte und ihn ablöste. Der Weg führte am Rande des Gletschers leicht, aber stetig bergauf. Erstaunlich, welche Kondition das Pferd besaß. Noch erstaunlicher aber war Mané, der hinter dem Pferd ging und ihm ab und zu einen Klaps auf den Hintern gab, wenn es trödelte. Und das mit dem schweren Gepäck auf dem Rücken, wobei das Pferd nicht wirklich langsam war.
Der Himmel war nahezu wolkenlos und abgesehen vom kalten »Fahrtwind« hätte das Wetter nicht besser sein können. Plötzlich Musik. Hinter einer Anhöhe tauchte ein Zelt mit einem einzelnen Mann auf, der dort in 4500m Höhe zu wohnen schien. Vielleicht war es ein Soldat auf vorgeschobenem Posten, auf jeden Fall in einer landschaftlich grandiosen Umgebung. Eine halbe Stunde später schon wieder Musik ‒ der Larke Tea Shop war erreicht. Mit 4850m sicherlich die höchste Gaststube, in der ich jemals eingekehrt war. Zeit für eine Pause. Einer der Bewohner, ein Tibeter, servierte Tee, während sich das Pferd neben der Hütte ausruhte. Auf meine Frage, ob es hier oben nicht etwas kalt wäre, lachte er nur und meinte no, not really.

Manaslu aus der ISS Blick aus der ISS

Nach einer halben Stunde Aufbruch. Der Weg führte an einem vereisten See entlang, wo in geschützten Lagen sogar noch vereinzelte Pflanzen wuchsen. Danach ging es ein letztes Mal nach oben. Der Pferdeführer ließ das Pferd frei laufen und anstatt auf dem einigermaßen ausgetretenen Pfad zu bleiben, suchte es sich seinen eigenen Weg über Felsbrocken und durch Wasserlöcher. Festhalten war hier angesagt. Neben uns quälten sich einige Touristen den Weg hoch zum Paß und bekamen große Augen, als plötzlich ein Pferd vorbeilief. Und Mané war tatsächlich noch vor uns oben, unglaublich seine Kondition.
Am Paß war Schluß mit Pferd. Nach dem Absteigen mußte ich mich erst einmal hinsetzen, denn nach dem stundenlangen Ritt schwankte das Festland wie ein Schiff in stürmischer See. Nachdem der Berg wieder ruhig lag, standen noch ein paar Erinnerungsfotos an. Dann begann der Abstieg, einige hundert Meter weiter an der Westseite des Passes. Es war ein ausgetretener Pfad, der sich in steilen Serpentinen nach unten wand. Zum Glück war er weitgehend schnee- und eisfrei, so daß die Spikes für die Schuhe im Rucksack bleiben konnten. Der Blick von hier oben war atemberaubend, mindestens ein Dutzend Sechstausender ringsum. Der Manaslu lag hinter einem Gebirgsmassiv und war nicht zu sehen. Es war kurz nach Mittag und die Sonne brannte vom Himmel. Die Daunenjacke, eine winddichte Goretex-Jacke und lange Unterhosen, die im kalten Wind auf dem Pferd durchaus sinnvoll waren, störten nun nur noch. Also irgendwann Stopp und umziehen.
Weiter unten stieß der Weg auf die Seitenmoräne des Salpudanda-Gletschers, der sich später mit dem Thoche- und Kechakyu-Gletscher vereinigte.
Mané schwebte samt Rückenlast quasi schwerelos über die Felsblöcke, während ich besser genau hinschaute, wo der nächste Schritt landete.
Nach einer Stunde Pause an einer Art Gaststätte am Ende des Abstiegs, wo es eine Cola gab. Unsere Träger waren schon längst dort angekommen und brachen einige Minuten später schon wieder auf. 
Von hier führte der Weg stetig bergab den Gletscher entlang, von dem aber nicht viel zu sehen war. Am frühen Nachmittag dann Ankunft in Bhimthang, einer Ansammlung von Touristenhütten auf beiden Seiten einer flachen Fläche von der doppelten Größe eines Fußballfeldes. Die Sonne schien immer noch warm und man merkte die Höhenlage von über 3700m nicht wirklich. Die warme Dusche erwies sich leider als Reinfall und das Zimmer mußte wegen Löcher im Dach gewechselt werden. Wenig später zogen Wolken und Nebel auf und es wurde empfindlich kalt. Als die Gruppe eintraf, war von den Bergen ringsum nicht mehr viel zu sehen.

14.+15. Tag - Von Bhimthang durch den Wald nach Thoche (2860m)

In Bhimthang war es noch eiskalt, als wir früh am Morgen aufbrachen. Schon nach einigen Kilometern wurde es aber in der prallen Sonne richtig warm, Zeit zum ersten Umziehen. Kurz darauf überquerten wir den Ausläufer des Thoche-Gletschers, von dem aus sich ein grandioser Blick auf die umliegenden Eisriesen bot. Der Weg entlang des Gletschers war zwar mit Erde bedeckt, darunter befand sich aber Eis.
Die andere Seite des Gletschers gehörte schon zum Gebiet des Annapurna-Nationalparks. Nach der kargen Hochgebirgslandschaft wurde es wieder grüner und vor allem wärmer.

Über die extrem schwierige Südwestwand des Manaslu stieg Reinhold  Messner 1972 zum Gipfel auf, sein zweiter Achttausender. Nach anfangs noch  schönem Wetter wurde er oben von einem verheerenden Schneesturm  überrascht. Sein Begleiter Franz Jäger, der kurz vor dem Ziel umgekehrt  war, kam beim Abstieg ums Leben. Auch Reinhold Messner erreichte nur  mit Müh und Not das rettende Lager. Zur gleichen Zeit versuchte eine  koreanische Gruppe den Berg über die Nordroute zu besteigen, was mit 15 Toten  in einer Lawine endete. Die dramatischen Ereignisse dieser Expedition werden  im nebenstehenden Buch beschrieben. 
Nicht weniger dramatisch verlief eine Besteigung des Berges 1991, als Hans Kammerlander zwei Freunde verlor. Dieses Ereignis ist Thema des Filmes »Manaslu – Berg der Seelen«. 2012 ereignete sich ein weiteres Unglück  mit zwölf Bergsteigern, die in einer Lawine umkamen. 


Danach führte der Weg steil abwärts durch einen Wald und die Berge verschwanden hinter Bäumen. Mehr oder weniger tief unter uns floß der Dhud Khola, aber die hochalpine Region hatten wir nun endgültig hinter uns gelassen. Das Wetter war wunderbar und so legten wir in einer kleinen Gaststätte mit wunderschönem Bergblick die Mittagspause ein. Von dort ging es immer am Fluß entlang weiter, nicht ohne einige heftige Aufstiege beim Abstieg. Aber irgendwann kam das Ziel in Sicht, eine schöne Anlage direkt am Flußufer. Hier verbrachten wir den »übriggebliebenen« Ruhetag. 
Ach ja ‒ von Nasenbluten keine Spur mehr.

Reinhold Messner, Manaslu 1972

Mit freundlicher Genehmigung Reinhold Messner

17. Tag - weiter hinunter nach Tal (1700m)

Immer entlang des Dhud Khola kommen wir allmählich wieder in wärmere Gefilde. Unterwegs treffen wir auf eine Gruppe von Versehrten aus Frankreich, die sich auf ihren Spezialfahrzeugen über den Paß haben schieben lassen und nun auf dem Weg zurück waren. Nach der Überwindung eines Bergrutsches und einiger Hängebrücken erreichten wir Dharapani, wo der Manaslu- auf den Annapurna-Rundweg trifft. Und es gab wieder die ersten Autos, die auf einer neugebauten Straße bis dorthin gefahren sind.
Kurz hinter dem Ort legen wir die Mittagspause ein. Links vom Fluß gehen wir dann auf dem alten Wanderweg weiter, während die Mulis, Träger und Autos die Straße auf der anderen Seite benutzen. Am Nachmittag erreichen wir das Hotel in Tal.

18.+19. Tag - von Tal nach Jagat, Rückfahrt nach Kathmandu

Der letzte Tag des Trekkings war angebrochen. Wir hielten uns wieder links des Flusses auf dem alten Fußweg, während sich die neue Straße am gegenüberliegenden Berghang entlang zog. Nach einigen Kilometern Baustelle ‒ eine Stromtrasse wurde das Tal gelegt. Ein paar Elektriker saßen oben auf den Masten und befestigten die Kabel. Hier sieht man deutlich, vor welchen Herausforderungen ein Land wie Nepal steht, selbst wenn es »nur« um die Verlegung einer Stromleitung geht.
Kurze Zeit später führt der Weg durch eine Ansammlung von leuchtenden Weihnachtssternen, ein willkommener Anlaß für eine kurze Rast.
Am Nachmittag dann die letzte Hängebrücke hinüber zur Straße. Im braunen Staub geht es noch ein paar Kilometer weiter, dann ist die Lodge erreicht: Finish Trekking. Aber Moment, waren wir nicht schon mal in Jagat? Ja, aber das ist Jagat in Lamjung, das andere war Jagat in Gorkha.
Am Abend dann ein zünftiges Dhal Bhat-Essen mit allen zusammen, danach noch Musik und Tanz zum Ausklang.
Am nächsten Morgen stand schon der Jeep bereit und wurde mit dem Gepäck beladen. Die Träger hatten nichts mehr zu tun. Der Fahrer, wie üblich ein Meister seines Faches, steuerte den schwerstbeladenen Jeep über die, sagen wir mal, kommende Straße. Nach einigen Stunden Schaukelei dann Stopp in der Zivilisation und Umstieg in einen bequemen Kleinbus, der uns wieder zurück nach Kathmandu brachte.

Über die letzte und die allerletzte Brücke

20. und letzter Tag - Kathmandu

Eine Reise ist fast zu Ende gegangen, die noch lange in Erinnerung bleiben wird. »Schlimm« war sie natürlich nicht, aber daß sie einfach gewesen wäre, ist auch übertrieben. Und das nicht nur wegen der gefühlten zwei Millionen Treppenstufen und der unzähligen Felsbrocken, die überstiegen werden mußten. Auch mit dem Pferdchen, das sich echt angestrengt hatte, war die Reise eine echte Herausforderung, die aber wegen der perfekten Leitung Bijays ohne ernsthafte Probleme blieb. Nepal »ganz oben« kennenzulernen, wo die Menschen noch im Einklang mit der oft feindlichen Natur leben, gehörte dabei zu den wichtigsten Apekten dieser Tour. Wie hieß es ganz am Anfang: »Geografisch spektakulär und kulturell faszinierend«, das war sie tatsächlich.
Der letzte Tag gehörte noch einmal der Hauptstadt Kathmandu mit ihrem unvergleichlichen Straßenverkehr, der quirligen Innenstadt und dem ruhigeren Bouddanath-Tempel, dem größten buddhistischen Heiligtum Nepals. Wie das Land und die Hauptstadt, hatte auch er unter dem Erdbeben 2015 stark gelitten. Mittlerweile sind die Schäden beseitigt und so stand einem Besuch bei bestem Sonnenschein nichts im Wege. Abenteuerlich war allein die Fahrt im Taxi hin und zurück. Am Nachmittag stand noch einmal ein Besuch der Innenstadt mit der touristischen Einkaufsmeile im Stadtteil Thamel an, wo man vor lauter Werbung kaum noch etwas anderes sieht. Nach einer kurzen Erholung im Hotel ging es dann ‒ mit einem Zwischenstopp in Bijays Büro ‒ zum letzten Event, dem gemeinsamen Essen. 

Nichts für deutsche Feinstaub- und CO2-Fanatiker

Touristisches

Es versteht sich von selbst, daß eine solch aufwendige Reise nur mit Hilfe eines erfahrenen Reiseveranstalters unternommen werden kann. Das beginnt mit einem zugelassenen Führer, ohne den die amtliche Erlaubnis gar nicht erteilt wird und endet noch nicht mit den einheimischen Trägern, ohne die die Reise nicht denkbar gewesen wäre.
Als perfekter Partner hat sich hier die Reiseagentur Nepal Himalaya Reisen Pvt. Ltd. erwiesen, mit Bijay als Inhaber und Guide vor Ort und Ines im Büro in Kathmandu. Dafür ein großes DANKE!

 

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